Shout Out Loud
Liebeskummer ist ein Arschloch. Dabei ist es nicht mal wirklich Liebe. Eher ein Crush. Une liaison amoureuse. Aufgrund des in der warmen Jahreszeit im Überschuss produzierten Hormons Oxytocin kann Bea den Typen aus dem Club in der letzten Nacht nicht vergessen, der sie trotz allen anfänglichen Anstands einfach buchstäblich auf ihrem Barhocker hat sitzen lassen. Gelaufen ist nichts, die Getränke wurden ihr zwar spendiert, aber wer ernsthaft glaubt, in einem Club im Sommer in einer lauen Freitagnacht so etwas wie eine Liebesbeziehung starten zu können, muss wirklich grund-naiv sein, findet Bea. Selbstvorwürfe und Konsorten geben sich seit anderthalb Tagen die Klinke in die Hand, und auch die geschlafene Nacht von Samstag auf Sonntag hat keine Heilung bewirkt.
Wie gut, dass auch Sonntags kleine Konzerte in dieser Stadt stattfinden, und so begibt sich Bea mit ihren Freundinnen Rike und Wiebke in eines der abgeranztesten Jugendzentren der Stadt.
Punkrock. Emocore. Heavy Metal. So richtig einordnen kann sie diese Band da vorne nicht, die heute Abend spielt und die ihr sehr gut gefällt. Besonders gefällt ihr aber der blonde Sänger. Ablenkung, Verdrängung, Ersatz – alles ist Bea heute Abend Recht. Wer braucht schon unterernährte Independent-Style-Celebrators?
Dieser blonde, blauäugige, mit einem Beatles-Haircut frisierte Sänger mit der Shouting-Stimme in Chucks, abgewetzter Jeans und Nietengürtel – jawohl!
Ein bisschen tanzen, ein bisschen Feuerzeug, ein klein wenig mitsingen können und ganz viel Jubeln. Vor allen Dingen aber lässig bleiben. Schließlich weiß niemand, wie extrem das Scheinwerferlicht auf der Bühne wirklich blendet und wie viel des Publikums sichtbar ist.
Gelassen bleiben ist die neue Taktik. Zumindest für heute.
Tatsächlich verkauft der gute Sänger nach der Show an einem kleinen Merchandising-Stand aka Bierzeltgarnitur in der Ecke qualitativ hochwertige T-Shirts der Band, die auch noch gut aussehen.
Erfrischender Smalltalk, anprobieren, Komplimente einkassieren, wie gut Bea das T-Shirt doch stünde – na logisch, schließlich will er die Dinger ja verkaufen – und der Sonntag Abend ist gerettet.
Wie geht"s weiter? Gibt s überhaupt eine Fortsetzung?
Bevor er fährt, schüttelt er Bea die Hand. Höflich. "Vielleicht sieht man sich ja mal wieder!"
Bestimmt, denkt sich Bea, dafür werde ich sorgen!