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Online-Kurzgeschichten
Lesezeit: etwa 4 Minuten
von
Carolin S.

Skate-Punks

Freitag Nacht um circa Null Uhr dreißig in dem meiner Meinung nach besten Club der Stadt. Alles ist wie immer: Gute Musik, die besten Freunde um mich herum, und ein tanzendes, gut gelauntes Party-Volk füllt die Tanzhalle. Doch ein Grüppchen sticht besonders hervor. Drei äußerst gut gelaunte Skater – ohne Skateboard, versteht sich – veranstalten ein Wettspringen. Wer springt am höchsten? Vielleicht ist das eine neue Trainingsart, Ollis und Slides oder wie auch immer die Moves für diese besagte Sportart heißen, ohne Skateboard, zu guter Musik.
Ich kann mir das Schmunzeln nicht verkneifen. Um ehrlich zu sein habe ich mir solche Jungs immer in meinem Freundeskreis gewünscht, aber noch nicht einmal auf unserer Schule habe ich so gut gelaunte, alternatives Stimmungs-Bomben entdeckt, gehe ich doch auf eine in meinen Augen manchmal zur Spießer-Schule neigenden Lernanstalt. Da geht es um Status, Autos, Tennis und Markenklamotten. Nicht, dass ich gegen all diese Parameter etwas einzuwenden hätte. Aber ein wenig mehr Gelassenheit täte der Penne ganz gut.
Apropos penne: Ein wenig kommt die Müdigkeit jetzt durch, obwohl der laufende Song wirklich tanzbar ist.
Wie Phönix steht er plötzlich ein paar Meter vor mir und tanzt langsam auf mich zu.
Wirklich auf mich?
Ich drehe mich um. Hinter mir, links und rechts kein Mensch zu sehen, der mit ihm Blickkontakt halten könnte. Und durchsichtig scheine ich nicht zu sein. Der Skater mit den Schulterlangen, blonden Haaren, dem freundlichen, aber ebenso nichtssagenden Blick und der Baseball-Kappe sieht mich an. Nicht flirty, nicht schelmisch. Einfach nur normal. Was auch immer die Definition dieses Adjektivs ist.
"Hi", begrüßt er mich.
"Hi?!"
"Ich bin Tim."
"Hi Tim."
"Und du?"
"Jules."
"Jules wie Julia?"
"Jules wie Juliette."
"Hi Jules wie Juliette. Hast du Lust was zu trinken?"
Die Masche kennt man ja. Trinken, flirten, Abchecken, Nummern tauschen, ein Treffen außerhalb der Discothek und dann kreuze bitte an: Ja, Nein, Vielleicht.
Ich kann noch nicht ganz glauben, dass Tim wirklich mich meint, aber hey. Unsere Wellenlängen scheinen sich in manchen Punkten zu überschneiden.
"Und du bist also Dance-Rockerin?" fragt Tim wenig später, als wir uns in die vollkommen leere Vorhalle des Veranstaltungsetablissements setzen. Paradox. Als wolle er mit mir alleine sein. Aber die geringe Lautstärke scheint der eigentliche Grund für diese gesuchte Wüstenei zu sein.
Tim nimmt einen Schluck von seinem Bier.
"Was ist eine Dance- Rockerin?" erkundige ich mich.
"Na, so Jemand wie du."
Aha. Na so weit waren wir ja schon. Doch ich bekomme tatsächlich eine Erklärung: "Mädels, die eben zu Rockmusik abdancen."
Wieder was gelernt. Fast möchte ich ihn fragen, ob er denn Skate-Punk ist. Aber diese dumme Bemerkung kann ich mir glücklicherweise verkneifen.
Wir quatschen. Kein Flirten, keine Komplimente – wir quatschen einfach nur und lernen uns kennen. Gibt"s denn sowas?
Zwar tauschen wir am Ende unsere Nummern und schreiben auch ein wenig hin und her. Auch manche Clubveranstaltungen werden von uns die laufenden Saisons gemeinsam besucht. Aber das klischeebelastete Ladyboy-Drama bleibt aus.
Ungewohnt. Und herrlich!