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Online-Kurzgeschichten
Lesezeit: etwa 3 Minuten
von
Carolin S.

Generation Heimscheißer

Bielefeld, Herford, Köln, Berlin, Mittweida, Wacken, Göttingen – irgendwann reicht"s mal. Innerhalb von zehn Jahren bin ich im Schnitt genau zehn Mal umgezogen. Ein bisschen was gesehen zu haben ist wirklich nett. Und dabei habe ich nicht mal den Kontinent geschweige dem die Bundesrepublik verlassen. Australien, Neuseeland oder Kalifornien – diese Reiseziele blieben mir bisher verwehrt.
Denn ich gebe es zu: ich bin gerne in der Heimat. Ständiges Suchen treibt, gerieben sein macht unruhig und das vielleicht sogar krank. Wirklich gesund fühle ich mich nämlich nicht.
Als Jugendliche wollte ich immer raus in die Welt. Diese Kleinstadt hat mich genervt. Es gab kein Jugendzentrum in der Nähe, meine Freunde wohnten eine halbe Stunde Autofahrt von mir entfernt, nur Wiese, Wald, Feld und Kühe – letztere gerne auch in Form von Dorfzicken, die mir das Leben schwer machen konnten. Als hätte man als 14-jährige Teenagerin nicht schon genug Sorgen.
Punkrock half ein bisschen. Stadtbummel in der nächst gelegenen Klein-Großstadt waren schon fast ein Ausflug und Urlaube sowieso.
Wenn ich an meine Großstadtausflüge denke, hatte ich Hamburg immer in besonderer Erinnerung. Köln fand ich zu eng, laut und dreckig und Berlin erschlug mich. Trotzdem habe ich in jeder Stadt, in der ich gelebt habe, immer eine gute Zeit verbracht.
Niemals hätte ich gedacht, mit 30 wieder zurück in mein Heimatdorf zu ziehen. Freiwillig. Ohne die genaue Perspektive für Jobs, Geld, Beruf, materielle Absicherung.
Es war ein Herzenswunsch. Und je länger ich hier wohne, desto mehr stelle ich fest: Ich gehöre zur Generation Heimscheißer. Beim Einkaufen treffe ich ehemalige Mitschüler, auf dem Heimweg schiebe ich plötzlich mein Fahrrad neben dem Kinderwagen einer ehemaligen Schulfreundin her und Hochzeitseinladungen landen regelmäßig in meinem Briefkasten. Ein Schnack mit der Bäuerin am Gartenzaun, bei der ich früher immer Milch geholt habe, Nachbarskinder, die an der Haustür schellen und fragen, ob sie ihren Fußball zurück holen dürfen, der über unseren Gartenzaun in unseren Vorgarten geflogen ist, Kinderflohmarkt in Form einer Picknick-Decke und ausrangierten Spielsachen in einem Vorgarten auf der Wiese – Dorf goes Relaxation Lifestyle.
Es ist ein Anfang. Ein Ankommen. Denn das Leben muss nur eins: Sich gut anfühlen.