D.I.Y. or die
Nicht ein mal 24 Stunden vorher weiß ich, wann ich am kommenden Tag am Film-Set sein soll, welche Kleidung gewünscht ist und welche Rolle ich überhaupt verkörpern werde. "Edel-Komparsin" steht in der Informations-E-Mail von der KomparsenAgentur. Ich habe keine Ahnung, was das bedeutet, aber ich freue mich auf den Dreh. Endlich habe ich die Gelegenheit, herauszufinden, ob mir das Laienspiel liegt. Eine sehr leise, aber dennoch aktive Ego-Stimme in mir schreit: "Zeig es ihnen!" Denn seit meiner frühen Kindheit liebe ich das Schauspiel.
"Du spielst eine Kommissarin in einer Verhör-Szene", erfahre ich ein paar Stunden später vom Garderobier am Telefon, als ich meinen Rucksack mit optionalen Kleidungsstücken packe.
Ach so.
Mit Text? Ohne?
"Das wird improvisiert." Aha. Nun denn.
Am kommenden Mittag setze ich mich also bei September-Sonnenwetter in den Zug und fahre nach Düren. Wie gewohnt gestaltet sich der Fußweg vom Bahnhof zum Set etwas abenteuerlich, weil ich nicht sofort den Weg finde, aber ich habe genug Zeit einkalkuliert und wie zu erwarten verzögert sich der Ablauf auch an diesem Drehtag.
Und dann. Endlich bin ich an der Reihe. Das Team ist klein, sympathisch und auch mein Spiel-Kollege, ein erfahrener Komparse, sehr kollegial.
Der Regisseur haut mir die Infos um die Ohren, die ich in der Szene sprechen soll. Nix mit Drehbuch und Textansage. Funktioniert prima, wenn man sehr nervös ist, so etwas noch nie gemacht hat und sich Fakten eines Kriminalfalles ohnehin schlecht merken kann. Ich verspreche mich oft, bin vollkommen überfordert und die Takes werden oft wiederholt. Außerdem achtet niemand auf den Bild-Anschluss und die Tatsache, dass aus meiner ungewohnten Hochsteckfrisur eine Haarsträhne herausrutscht und nun deutlich Unterschiede im Bild aufweist. Also mache ich die Script/Continuity darauf aufmerksam. Wir müssen ein paar Minuten warten, weil sie gar nicht im Raum geschweige dem am Monitor ist. Ich denke mir meinen Teil, denn von Kino- und Fernsehfilmproduktionen bin ich andere Standards gewohnt.
Kurze Pause, nächste Szene, neuer Text. Ein komischer Text. An die skurrilen Fakten und Textinhalte habe ich mich mittlerweile gewöhnt, aber die Formulierung, die mir der Regisseur nun vorgibt, verstehe ich absolut nicht. Ich kann diesen Satz nicht sagen.
Es fühlt sich unnatürlich an und dementsprechend häufig verspreche ich mich wieder.
Nervös, Zeitdruck, Schamgefühl – die Panikschleife ist perfekt.
Stopp.
D.I.Y. or die!
Im nächsten Take baue ich mir eine für mich logische Satzkonstruktion zusammen.
Es funktioniert! Der Take ist drin.
"Der Satz gefällt mir besser. Finde ich gut!", bekundet der Regisseur.
Und Zack! Ist mein Drehtag zu Ende.
Ich liebe Film! Spielen ist aufregend und macht Spaß!
Aber: Kinder Kinder. Was für ein Affenzirkus!