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Online-Kurzgeschichten
Lesezeit: etwa 6 Minuten
von
Carolin S.

Ten-Dayz-Love-Affair

Januar 2007. Endlich bin ich 18. Und endlich darf ich legal und offiziell in die Disco gehen. Da bietet sich der Ringlokschuppen mit seinem "Alternative Friday" an, der die Songs meines Herzens spielt. Kann man sich in einer Disco zu Hause fühlen?
Alle Jungs sehen wie Rockstars aus und ich surfe auf der Spitze der Indie-Welle, die seit ein paar Jahren aus Großbritannien herüber geschwappt ist. Jugendbewegung hin oder her: Musik ist meine Leidenschaft.
Mit meinen beiden besten Freundinnen setze ich mich auf den Balkon und nippe an einem alkoholfreien Kaltgetränk. Es ist noch früh in der Nacht und die Halle dementsprechend leer. Langsam füllt sie sich jedoch mit Freunden der Independent-Musik und wir frönen dem People-Watching aus dieser äußerst dankbaren, geografischen Position des Balkons.
Hübsche Menschen gibt es hier.
Und DA ist er. Ein dunkelhaariger Lockenkopf, groß und hager. Seine Röhrenjeans und Chucks sehen aus wie angeboren und sein etwas schlaksiger Gang zieht meinen Blick an. Keine Ahnung, was ich an ihm finde. Wahrscheinlich eben dies.
Mit der Zeit füllt sich die Tanzfläche. Die Stimmung, das Potenzial der Musik und auch der Promille-Pegel steigen, doch letzterer bleibt im angemessenen Rahmen.
Neben unserem Tanzgrüppchen hält eine Clique ihre gute Laune in fotografischen Schnappschüssen fest. Einer der Jungs fragt meine Freundin, ob sie die gesamte Clique mit ihrer Digitalkamera ablichten könnte. Natürlich kann sie und die Jungs lassen es sich nicht nehmen, meine anderen Freundinnen und mich ins Foto zu integrieren. Zwei Sekunden später stehe ich in den Armen des Lockenkopfs vor der Kamera. So schnell kann"s gehen.
Der Frühling kommt und mit ihm die Lust und Laune, die kürzer werdenden Nächte im Ringlokschuppen zu feiern.
In einer Nacht in den Sommerferien sehe ich ihn wieder auf der Tanzfläche. Seine Clique tanzt um den Handtaschenhaufen der Mädels aus der Clique herum und erfreut sich der Musik. Durch herumalbernde Posen ziehen die Mädels meine Aufmerksamkeit auf sich und ich muss lachen. Auch der Lockenkopf lacht, unsere Blicke treffen sich – und das war"s. Aus einem Lachen über die Freundin zaubert sich ein immer wieder kehrendes Anlachen. Bescheuert, aber cool.
Den gesamten Red-Hot-Chili-Peppers-Song geht das so, bis ein Impuls durch meinen Körper ruckt. Meine Beine bewegen sich auf den strahlenden Lockenkopf zu, meine Zeigefinger tippt auf seine Schulter und meine Stimme fragt in angepasster Lautstärke: "Entschuldigung, wo hast du deine Digitalkamera gekauft?"
Bescheuerte Frage. Scheint aber nicht schlimm zu sein, denn sofort ergreift der Lockenkopf meine Hände und verklickert mir: "Sorry, I"m from England."
Oh. Okay. Cool.
Also switche ich in unseren gemeinsamen Konversationen in dieser Nacht auf die englische Sprache um und ein paar Getränke und Tänze später bekomme ich auf einem Fitzel der DJ-Wunsch-Liste eine Telefonnummer zugesteckt, die ich doch bitte morgen anrufen soll, weil wir ins Kino gehen wollen. Wir verabreden uns aber schon mal für eine Uhrzeit.
Ich rufe ihn am Samstag tatsächlich an und stehe zur verabredeten Uhrzeit vor dem Kino – doch niemand hebt ab und niemand kommt.
Egal. Ich hatte gestern einen fantastischen Abend. Den kann mir keiner nehmen.
Am nächsten Freitag tanzt er wieder mit seiner Clique um den Handtaschenhaufen herum. Ich nehme meinen Mut zusammen und gehe auf ihn zu.
Warum er nicht kam? Die Nummer war falsch. "But I"d love to meet you this weekend. What about sunday?"
Sunday kingt gut. Und diesmal scheine ich die richtige Nummer zu bekommen, denn ein paar Stunden später bekomme ich vor dem Einschlafen um sechs Uhr morgens Gute-Nacht-SMS zugesendet.
Kino – Spaziergang – Kuss. Ich habe einen English Boyfriend! Das gefällt mir irgendwie.
Wir verbringen eine lustige Woche mit DVD-Abenden und ich mache erneut die Erfahrung, dass in englischen Badezimmern keine Fliesen, sondern Teppich den Fußboden auskleiden – egal, ob in England oder in Gütersloh.
Ich könnte den gesamten Sommer so verbringen. Friends, Dance and Rock"n"Roll.
Doch nach insgesamt zehn Tagen sieht er der Realität ins Auge: "We shouldn"t see each other anymore."
Hallo?! Sowas sagt er mir am Telefon?
Klar, die Sommerferien sind bald um und mit ihr auch seine Zeit in Deutschland, doch muss das jetzt sofort sein? Könnten wir nicht noch ein bisschen –
"It would be too hard going on like that."
Verdammte Scheiße. Er hat Recht.
Mit tränenüberströmtem Gesicht sitze ich zusammengekauert auf einer Bank am Bahnsteig und warte auf den Zug nach Hause.
Die Realität ist brutal. Und trotzdem. Real waren auch die letzten zehn Tage. Und die waren verdammt gut.