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Online-Kurzgeschichten
Lesezeit: etwa 4 Minuten
von
Carolin S.

Mit 'Tut mir Leid' kommt man nicht weit

Montagmorgen im Oktober. Als sei das nicht schon schlimm genug. Es ist halb sechs, meine Bauarbeiter-orangefarbene Skijacke einer Kaffeemarke wärmt nicht ausreichend, und obwohl die Münsteraner Innenstadt auch um diese Uhrzeit mit ihren beleuchteten Schaufenstern sehr schön ausschaut und die Menschen um ich herum sehr nett sind, kriegt mein Hirn ohne Kaffee noch nichts klar.
Neuer Chef, neues Tempo, neuer Anschlag im Tonfall. Jetzt geht es zackig zu. Ich versuche, mit seinem Eiltempo Schritt zu halten und seinen Erklärungen zu folgen: "Da ist das Set, Motiv eins wird hier im Juwelierladen gedreht, da hinten steht das Set-Catering und die Komparsen bringen wird in dem Raum da vorne unter."
Okay. Soweit. Und wie war nochmal der Weg von der Basis zum Set?
Diese Frage muss ich dem ersten Komparsen beantworten, der sich mit für diese Uhrzeit unmenschlich guter Laune bei mir vorstellt.
Ja. Wenn ich das wüsste.
Mein Job als Set-Runner ist unter anderem, so eine Information weitertragen zu können. Kann ich aber nicht.
Versagt. Verdammt!
Dabei ist dieses Praktikum direkt nach meinem Abi meine Bewährungsprobe. Seit meinem zwölften Lebensjahr will ich zum Film und dafür kämpfe ich.
Ich denke nach. Beschreibe dem Komparsen einen Weg, von dem ich glaube, dass er der richtige ist und bekomme auch eine halbe Stunde später von meinem Kollegen über Funk mitgeteilt, dass er tatsächlich angekommen ist.
Sorry!
Doch mit "Sorry" und "Tut mir Leid" kommt man beim Film nicht weit. Das stelle ich einige Tage später schlussendlich fest, als ich eine Straße blocken soll. Natürlich im Dunkeln. Natürlich eine dicht befahrene Straße. Unser Catering-LKW muss durch eine enge Ausfahrt ausparken und benötigt dafür etwas mehr Zeit als ein kleiner PKW.
Hoffentlich kommt jetzt kein Riesen-LKW, der mich schlecht erkennen kann und den ich aus Gründen um die Rettung meiner Haut nicht unbedingt anhalten möchte.
Natürlich prescht eben dieses besagte Fahrzeug an mir vorbei und kurz darauf prescht es durch mein Funkgerät: "Wo kam der denn jetzt her?"
"Ich konnte ihn nicht aufhalten. Sorry!"
"Ja – "Sorry" ist das nächste Mal ein Unfall!"
In Gedanken gebe ich schon mal mein Funkgerät ab und unterschreibe den Vertrag der vorzeitigen Beendigung meines Praktikums.
Goodbye Cinema. Wo ist mein Plan B?
Nach einer halbwegs schlaflosen Nacht stellen mein Chef und ich am nächsten Morgen eine Bierzeltgarnitur auf.
Seinen Worten kann ich kaum glauben: "Ich find" das gut, was du hier machst."
Was. Kaffee schleppen? In der Nachbarschaft herumbrüllen, dass wir drehfertig machen und jetzt bitte danach komplette Ruhe sein soll, damit der Take wenigstens tonmäßig gelingen kann?
Doch mein Ego geht dazwischen.
Gut! Gut hat er gesagt und das ist besser als schlecht.
Ein Anfang.
Nein.
Das ist ERST der Anfang!